Eins muss man Luc Armant vom Gleitschirmhersteller Ozone zugestehen: Er ist derzeit der innovativste Kopf unter den Schirmdesignern. Erst mischte er mit Carbonstäben beim Model BBHPP, dann mit dem erstaunlich gut "fliegbaren" Zweileiner Mantra R10.2 die Wettbewerbsszene auf. Während alle anderen Hersteller versuchen Schritt zu halten, und mittlerweile die Zweileiner als "etabliert" gelten können (zumindest im Wettbewerbszirkus), legt Luc schon wieder etwas vor, das als echte Neuerung gelten kann.
Beim neuen Race-Schirm R11, der demnächst im Wettbewerb Premiere feiert, sind die Zellöffnungen nicht mehr vorne an der Profilnase, sondern etwas nach hinten versetzt auf der Unterseite des Flügels. Zugleich ist das Profil im vorderen Bereich deutlich dünner. Von der Seite her betrachtet sieht das aus wie die Schnauze eines Haifisches, weshalb der R11 auch den Spitznamen "Baby Shark" trägt. Seitdem auf der Ozone-Homepage ein erstes Foto der neuen R11-Nase aufgetauscht ist (s. Bild oben, Quelle: www.flyozone.com), wird darüber im englischen Paraglidingforum heftig diskutiert.
Aerodynamiker haben das neue Profil (oder zumindest das, wie sie es sich aus dem Bild her ableiten) in ihre Simulationsprogramme gesteckt, um zu sehen, was Super-Luc sich wieder ausgedacht hat (Bild: Marko Stamenovic). Angesichts der Ergebnisse ziehen sie alle den Hut. Denn das Haifisch-Profil bringt tatsächlich einige Vorteile mit sich: Es erweist sich über einen weiten Geschwindigkeitsbereich und bei Turbulenzen als stabiler.
Warum? Herkömmliche Profile haben die Zellöffnungen an der Vorderseite in der Nähe des sogenannten Stagnationspunktes. Das ist jener Bereich, wo sich eine anstehende Luftströmung teilt, um entweder nach oben oder nach unten um das Profil zu fließen. Am Stagnationspunkt herrscht großer (Stau-)Druck, der u.a. dafür sorgt, dass der Flügel mit Luft gefüllt seine Form behält. Dabei gibt es aber ein Problem: Dieses System reagiert empfindlich auf Veränderungen des Anstellwinkels. Nickt der Schirm nach vorne oder werden beim Beschleunigen die A-Gurte nach unten gezogen, wird der Anstellwinkel kleiner. Dabei verschiebt sich der Druckpunkt am Profil entlang nach oben. In einem gewissen Rahmen geht das gut. Aber wird ein bestimmter Anstellwinkel unterschritten, verliert der Schirm seinen Innendruck und damit sein Profil, die Nase wird weich und es kommt zum Klapper oder gar Totalzerstörer. Gerade im Wettbewerb, wo viel beschleunigt geflogen wird, besteht die Kunst der Top-Piloten darin, ihren Schirm möglichst schnell zu fliegen aber stets noch im "sicheren" Druckbereich des Anstellwinkels zu halten. Die Konstrukteure wiederum waren in den vergangenen Jahren darum bemüht, die Nickstabilität der Schirme zu erhöhen, damit diese bei kleineren Turbulenzen nicht so schnell "unterschneiden". Dabei wurden erstaunliche Fortschritte erzielt, u.a. durch den Einsatz selbststabilisierender "Reflex"-Profile mit einem leichten S-Schlag und durch die Versteifung des Profils mit Nylonstäbchen etc.
Lucs "Supernase" stellt nun eine neue, vielleicht bahnbrechende konstruktive Lösung dar. Die schmale Haifischfront sorgt dafür, dass am Profil zwei Bereiche mit höherem Staudruck entstehen (s. Bild oben): Einmal an der Spitze und dann noch im Bereich der Profilstufe, wo sich die Eintrittsöffnungen befinden. Auf den ersten Blick ist ein solches Profil durch die "Störung" an der Unterseite aerodynamisch etwas weniger effizient als die klassische Variante. Doch in der Praxis spielt es neue Stärken aus. Denn auf die Veränderungen des Anstellwinkels reagiert es deutlich unempfindlicher. Während der Druckpunkt an der (geschlossenen) Profilnase wie üblich wandert, bleibt der Überdruck vor den zurückversetzten Eintrittsöffnungen über einem weiten Anstellwinkelbereich nahezu ortsfest bestehen, was die Stabilität des Flügels spürbar erhöht. In der Praxis kann also länger unter größeren Anstellwinkelveränderungen auch in turbulenten Bedingungen beschleunigt werden. Ozone selbst wirbt damit, der R11 könne dank der verbesserten Stabilität in rauer Luft praktisch bis zu 10 kmh schneller geflogen werden als der R10.2. Im Wettbewerbszirkus ist das eine echte Kampfansage!
Jetzt bleibt abzuwarten, wie sich das Haifisch-Profil in der Praxis bewährt. Von der Theorie her ist diese Lösung in jedem Fall bestechend, zumal sie das Zeug hat, nicht nur für Wettbewerbsflieger Vorteile zu bieten. Ein Schirm, der weniger empfindlich auf Anstellwinkelveränderungen reagiert und nicht so schnell einklappt, wäre auch in anderen, "tieferen" Gleitschirmklassen eine erstrebenswerte Option.
Luc Armant selbst hält diese angeblich zum Patent angemeldete Entwicklung durchaus für massentauglich. Anders als die Technologie der 2-Leiner, mit denen anfängerfreundliche Abstiegsmanöver wie Ohrenanlegen und B-Stall kaum möglich sind, wären solche Shark-Profile auch bei A- und B-Schirmen denkbar - und vielleicht sogar sicherer, als die bisher üblichen Schirmprofile.
Diskurs
4 Kommentare
Servus,
AntwortenLöschenLuc ist "nur" Testpilot - der Entwickler und Designer hinter dem Flügel ist Dav Dagault
cheers
Dav Dagault gilt bei Ozone als "Chef-Designer", aber Luc ist der Kopf und Spezialist hinter den Entwicklungen rund um die Aerodynamik und "Fluid Dynamics", also auch dem Shark_aprofil. Dass er auch noch Test- und Wettkampfpilot ist, kommt der Erfahrung und den Schirmen sicher auch noch zugute.
AntwortenLöschenNun ja , bei dem ganzen Hype sollte nicht vergessen werden das auch dieses Profil sicherlich seine Nachteile hat.
AntwortenLöschenEin offensichtlicher Nachteil: Nach einem Klapper wird der Schirm schwieriger öffnen als es konventionelle Designs tun.
Ebenso ist anhand der Publizierten Daten ersichtlich das ein Sharkprofil eine geringfügig schlechtere GZ hat als ein konventionelles.
Mal schauen was die Schirme wirklich können! Mein Beitrag soll in keiner Weise die Ingenieurskunst von Ozone schmälern.
Sie verdienen in jedemfall grossen Respekt! Der R10.2 hats gezeigt.
Rudi.... nun ist das ganze ja auch in der DHV Zeitung 182 zu lesen leider genau das gleiche?????? Hatten die zu wenig Zeit den Satzbau zu ändern?
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