Der Ion 3 ist ein sehr ausgewogener Vertreter der Mitte der Klasse EN-B

Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Ion 3 von Nova wurden in mehreren längeren Flügen an der Hochries und der Kampenwand gewonnen. Geflogen bin ich den Ion 3 in Größe S (80-100 kg) mit rund 90 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Nova zur Verfügung gestellt.

Der Ion 3 ist von Nova als Low- bis Mid-Level EN-B konzipiert, einfach zu fliegen, aber trotzdem mit einem gewissen Leistungsanspruch: "Leistung für alle", lautet der Slogan, mit dem der Ion 3 beworben wird. Hinzu kommen Aussagen wie jene, dass der Ion 3 im Trimm so gut gleitet wie ein Mentor 2 (unterstrichen von mittlerweile einigen großen FAI-Dreiecken mit dem Ion 3, geflogen von Nova Teampiloten). Ein schlechter Flügel dürfte es also nicht sein, aber wie gut passt er wirklich für eine breite Pilotenschar? Dies war eine der Fragen, mit der ich das Nova-Versprechen auf den Prüfstand stellen wollte.

Technisch ist der Ion 3 nicht einfach nur eine kosmetische Fortentwicklung des Ion 2. Der Flügel, von Hannes Papeshs Nachfolger Philipp Medicus konstruiert, setzt für den Midlevel-B-Sektor ein paar neue Akzente. Im Vergleich zu seinen direkten Konkurrenten Gin Atlas und Skywalk Tequila 4 besitzt er die geringste Streckung (5,1) aber die höchste Zellenzahl (49). Es ist ein echter Dreileiner (A+B+C Ebene), kommt aber ohne C-Wires aus, die den Hinterflügel stützen. Er hat keine Miniribs, dafür die Nova-Version einer Haifischnase (Air Scoop). Die Leinen sind in der Galerie unummantelt. Ein Alleinstellungsmerkmal sind die Smart Cells. Bei dieser Konstruktionsform soll eine wechselnde Breite der Zellen die Spannungen im Schirm gleichmäßiger verteilen.

Aufgeräumter Tragegurt des Ion 3.
Starten: Der Ion 3 hat ein unkompliziertes, sehr gut kontrollierbares Startverhalten, vorwärts wie rückwärts. Die Leinen fallen beim Sortieren leicht auseinander. Die unummantelten Galerieleinen verlangen einen Extrablick mehr Aufmerksamkeit. Eine Überschießtendenz am Scheitelpunkt ist kaum vorhanden. (Dieser Faktor wird meiner Beobachtung nach sowieso bei den meisten Schirmen vor allem durch die Starttechnik des Piloten bestimmt). Beim Aufsteigen der Kappe sind Korrekturen über die C-Ebene möglich, die von der Kappe willig, aber ohne Hast umgesetzt werden. Insgesamt ein sehr entspannter Starter.

Landen: Auch die Landung des Ion 3 geht ohne Überraschungsmomente für den Piloten über die Bühne.

Bremsen: Der hohe Bremsdruck dürfte für manche Piloten der größte Kritikpunkt am Ion 3 sein. Der Schirm verlangt noch mehr Zugkraft seines Piloten als der schon "harte" Gin Atlas. Allerdings relativiert sich diese Kritik etwas, wenn man die Wirkungscharakteristik der Bremse mit in Betracht zieht. Denn der Ion 3 lässt sich in den meisten Fluglagen wunderbar mit selten mehr als einem Drittel des Bremsweges und damit in einem angenehmen Zugbereich pilotieren. Die Arme werden einem darum selbst nach längeren Flügen nicht allzu schwer. Zudem vermittel der klar definierte Zug dem Piloten das Gefühl, über die Bremse einen guten Kontakt zu Kappe zu haben.

Der Ion 3 in der Durchsicht. Markant zeichnet sich
das zentrale Spannband und die unterschiedlich
breiten "Smart Cells" ab.
Kappenfeedback: Der Ion 3 zeigt dem Piloten sehr gut an, was in der Luft um ihn herum los ist - und das sowohl über die Bremse als auch über die Tragegurte. Der größere Inputanteil fällt dabei dem Popometer zu. Druckunterschiede an den Flügelhälften werden eindeutig und gut differenzierbar an den Piloten übermittelt. Hierbei zeigt der Ion eine etwas andere Charakteristik als der Atlas oder der Tequila 4. Während bei diesen die Flügelhälften gelegentlich getrennt voneinander etwas stärker in sich arbeiten, präsentiert sich der Ion 3 als eine kompakte Fläche mit einer spürbar homogenen Spannungsverteilung. "Bretthart" wäre dafür allerdings der falsche Ausdruck, denn an den Piloten gibt der Ion 3 viele Luftbewegungen gedämpfter weiter als z.B. ein Gin Atlas . Er raschelt auch seltener mit Ohren. Mit anderen Worten: Der Ion 3 strahlt im Vergleich - auch zu einem Tequila 4 - die größere Ruhe aus. Nachteile beim "Lesen der Thermik" habe ich dadurch nicht empfunden. 

Gewichtssteuerung: Das Steuern über die Gewichtsverlagerung funktioniert, ist aber keine Paradedisziplin des Ion 3. Auf das Kippeln im Gurtzeug reagiert der Flügel eher bedächtig. Den Schirm nur mit Gewichtsverlagerung hoch aufzuschaukeln, ist schon eine Kunst. Vielleicht kommt diese Eigenschaft aber der an anderer Stelle (z.B. im beschleunigten Flug) positiv auffallenden Spurtreue zugute.

DAs einfache wie effektive Raffsystem des Ion 3.
Kurvenflug: Trotz der gedämpften Gewichtsansprache ist der Ion 3 im Kurvenflug gar nicht träge. Ich würde ihn sogar im Vergleich mit Atlas und Tequila 4 als den wendigsten dieser drei Schirme einschätzen. Für einen homogenen Kurvenflug wie für nötige Korrekturen verlangt er die geringsten Bremsausschläge, wirkt aber keineswegs nervös. Besonders eindrucksvoll für dieses Klassensegment ist die Eigenschaft, eine einmal eingestellte Schräglage nahezu selbstätig zu halten. Wo z.B. ein Tequila 4 in der Thermik immer wieder kleinere Korrekturen durch den Piloten verlangt, zieht der Ion 3 auch in bewegter Luft geradezu stoisch seine Kurvenbahn. Zugleich passt der Flügel die Kurvenneigung bei Bedarf willig und kaum verzögert an, egal ob man innen nachzieht oder die Außenbremse nachlässt.


Thermikeigenschaften: Durch den homogenen, agilen und sehr gut kontrollierbaren Kurvenflug ist der Ion 3 ein sehr angenehmer Thermikflügel. Selbst in bockigeren Verhältnissen lässt sich der Schirm nicht so schnell aus der Ruhe oder dem stabilen Thermikkreis bringen. Diese Konstanz ermöglicht ein effizientes und entspanntes Kurbeln, die Agilität wiederum macht das Nachzentrieren leicht. Der Ion 3 zeigt die Bärte gut an, zieht neutral hinein und bleibt auch beim Ausfliegen lobenswert nickstabil. Etwas störrischer als andere Schirme reagiert der Ion 3, wenn der Pilot beim Thermikflug im schwachen Steigen das Gewicht auf die Außenseite verlagert, um die Kappe besonders flach zu halten. Dann vermittelt die Kappe ein schwammiges Gefühl. Er mag lieber klassisch geflogen werden 
 
Beschleuniger: So wie der Zug an der Bremse verlangt auch der Tritt in den Beschleuniger beim Ion 3 einen höheren Kraftaufwand. Auf längeren Streckenflügen, bei denen häufiger beschleunigt geflogen wird, ist z.B. ein Tequila 4 ermüdungsfreier zu treten. Dafür glänzt der Ion 3 in allen Geschwindigkeitsbereichen bis hin zu voll beschleunigt mit einer besonders hohen Spurstabilität und Flugruhe. Feine Richtungs- und Anstellwinkelkorrekturen sind sehr gut und kaum leistungsmindernd mit leichtem Zug über die C-Ebene möglich. Hier muss man freilich etwas aufpassen: Die Last auf der C-Ebene ist sehr gering, man sollte deshalb mit einem "feinen" Händchen manövrieren, um nicht zu überziehen. Vom erfliegbaren Geschwindigkeitsbereich her bleibt der Ion 3 klassentypisch. Die Max-Speed liegt bei knapp 50 km/h. In direkten Vergleichsflügen konnte ich beobachten, dass in bewegter Luft im Gegenwind kleine Turbulenzen auf den Ion 3 weniger leistungsmindernd wirken als auf einen Atlas.

Ohrenanlegen: Auch das Ohrenanlegen über den äußeren A-Gurt verlangt einen etwas erhöhten Kraftaufwand (viel Last auf der A-Ebene). Die angelegten Ohren bleiben aber ruhig und flatterfrei, die Sinkwerte sind gutes Mittelmaß. Die Ohren öffnen langsam aber stetig, gelegentlich muss mit einem kurzen Bremsenpumpen nachgeholfen werden.

Steilspirale: Das ruhige und schräglagenstabile Kurvenverhalten spiegelt sich auch in der Steilspirale wieder. Der Ion 3 erweist sich hier stets als gut kontrollierbar. Bei stärkeren Spiralen ist die Aufrichttendenz allerdings nicht gleich spürbar. Wer erst wenig Erfahrung mit dem Spiralflug und einer aktiven Ausleitung besitzt, der sollte sich mit dem Ion 3 bewusst etwas vorsichtiger an dieses Manöver herantasten.

Frontklapper: sehr hoher Einleitewiderstand. Ansonsten keine Auffälligkeiten

Seitenklapper: Ich habe nur unbeschleunigte Klapper um 50-60 % gezogen. Größere Klapper habe ich mit der üblichen Technik erst gar nicht hinbekommen. Auch hier herrscht wieder ein enorm hoher Einleitewiderstand. Bei einem 50% Klappergröße dreht der Ion 3 kaum ab und öffnet sanft.

Nicken: Der Ion 3 ist ein recht pitchstabiler Flügel, der sich nur langsam zu größeren Amplituden aufschaukeln lässt. Das Abfangen erfordert im Klassenvergleich angenehm wenig Bremseinsatz bzw. keine besonders langen Arme.

Rollen: Der Ion 3 lässt sich allein mit Gewichtsverlagerung nur sehr zäh aufschaukeln. Zusammen mit Bremseinsatz lassen sich aber doch relativ einfach runde Wingover fliegen.

Gekreuzte Stäbchen des Ion 3.
Packen: Der Ion 3 besitzt an der Eintrittskante etwas dickere, weiche Nylondrähte, die aber nicht sehr weit in die Kappe hineinreichen und zudem flexibel sind. Nur dort, wo sich die zwei Stäbchen des Air Scoops kreuzen und auf Mylar vernäht sind, ist die Struktur etwas steifer. Dennoch lässt sich der Ion 3 völlig problemlos und nach Belieben falten und packen. Trotz des verwendeten dickeren Dokdo 30 Tuches kann man den Schirm auch gut komprimieren. Das ergibt am Ende bei Bedarf ein angenehm kleines Päckchen.

Qualität: Hier zeigt Nova viel Licht und ein bisschen Schatten. Das Nahtbild von Tragegurten und Kappe ist einwandfrei. Etwas ungewohnt ist die Hinterkante, die mit einer einfachen Naht ohne stabiles äußeres Einfassband daher kommt. Es gibt nur ein innenliegendes Spannband in der Hinterkante. Auf steinigen Startplätzen sollte man damit vielleicht etwas vorsichtiger sein, um das Tuch nicht am nächsten spitzen Brocken zu beschädigen!
Die Leinenebenen des Ion 3 sind farblich voneinander abgesetzt. Allerdings ist die Stabiloleine im gleichen Orange gehalten wie die Bremsleine. Ich finde es unverständlich, warum die Hersteller hier nicht konsequent auf eine wirklich eindeutige Kennzeichnung des Stabilos setzen. (Nova ist da kein Einzelfall). Ebenso halte ich es für übertrieben, dass Nova schon auf teilweise unummanteltes Leinenmaterial setzt, um minimale Leistungsgewinne zu erzielen. In diesem Segment wird nicht wegen Zehntel-Gleitzahlen gekauft!

Fazit: Der Ion 3 ist ein gelungener und ausgewogener Vertreter in der Mitte der Klasse EN-B. Novas Marketingspruch "Leistung für alle" ist gar nicht so verkehrt. Wobei die "Leistung" Novas vor allem darin besteht, einen Schirm entwickelt zu haben, der für eine so enorm breite Pilotengruppe viel Flugspaß verspricht. Herausragend sind die Spurtreue und Flugruhe des Ion 3 gepaart mit einer im Klassenvergleich hohen Agilität und exakten Steuerung. Das erlaubt ein besonders einfaches und zugleich effizientes Thermikfliegen. Damit dürften Klassenaufsteiger genauso ihre Freude und Erfolgserlebnisse haben wie erfahrene Streckenpiloten, die weniger den sportlichen Ritt, als das entspannte Cruisen suchen. Die hohen Steuerkräfte und der hart zu tretende Beschleuniger gehören zu den wenigen nennenswerten Schwächen.

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