Für die Wahl des Startplatzes ist immer eine Frage entscheidend: Aus welcher Richtung kommt der Wind? Nur wenn er am Boden sauber von vorne in unsere Kappe strömt, kommen wir auch sicher in die Luft. Für das weitere Flugvergnügen ist dann allerdings die Luftbewegung in höheren Luftschichten viel entscheidender. Denn die Richtung eines erfolgreichen Streckenfluges wird maßgeblich vom Höhenwind vorgegeben. Darum ist es ratsam, bei jeder Flugvorbereitung auch Informationen über den Wind in der Höhe einzuholen.

Freilich kümmern sich die landläufigen Wetterberichte herzlich wenig um den Höhenwind. Man muss schon die spezialisierten Wetterseiten im Internet aufrufen, um hierzu aktuelle Daten zu bekommen – zu finden u.a. bei den von mir zusammen gestellten Wetter-Links auf der Homepage des DGC Siebengebirge.

Bild: Einen sehr guten Überblick zur Windsituation bieten so genannte Windgramme. Die zeigen die prognostizierten Winde verschiedener Höhenschichten über einem bestimmten Standort (in diesem Fall für den Bausenberg). Im Internet findet man so etwas beim Wetterdienst NOAA. Dort muss man nur die passenden Koordinaten (Längen-/Breitengrad) eingeben..
Höhenwindprognosen werden stets für bestimmte Druckflächen in der Atmosphäre erstellt, beispielsweise für 925 Hektopascal oder 850 Hektopascal. Umgerechnet entspricht das etwa 800 Meter bzw. 1500 Meter MSL. Es lohnt sich, vor einem Flug stets beide Karten zu Rate zu ziehen.

Wer regelmäßig Höhenwindkarten studiert, dem wird eins schnell auffallen: Der Bodenwind ist gegenüber dem Höhenwind meistens etwas verdreht und schwächer. Das hängt mit der Bodenreibung und der Coriolis-Kraft zusammen. In der Regel weicht der Höhenwind etwas nach rechts ab. Bläst es am Boden aus Süd, strömt es weiter oben aus Südwest, zeigt der Bodenwind glatt Nord, kommt er darüber aus Nordost. Diese markante Drehung des Windes mit der Höhe sollte besonders bei der Planung von Streckenzielflügen berücksichtigt werden.

In den Alpen und anderen höheren Gebirgen entscheidet der Höhenwind auch darüber, ob überhaupt geflogen werden kann. Zum einen liegen dort die Startplätze häufig schon genau im Prognosebereich der 1500m-Windkarte (850 hPa). Wenn’s hier zu sehr bläst, ist das sichere Starten schwer. Zum anderen sorgen die hohen Bergkanten mit ihren ausgeprägten Leebereichen auch dafür, dass bei stärkerem Höhenwind die Luft allgemein sehr turbulent und klapperträchtig wird. Bei Höhenwindprognosen über 20 km/h ist es darum in den Alpen empfehlenswert, lieber eine Wanderung als einen ungewollten Akroflug ins Auge zu fassen.

Im mittelgebirgigen Flachland ist ein stärkerer Höhenwind nicht automatisch ein k.o.-Kriterium fürs Fliegen. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn ein Streckenflieger in der Eifel in 1500m Höhe bei einem 40er-Rückenwind mit 70 km/h über Grund dahinzischt. Von Berggraten verursachte Turbulenzen braucht er hier nicht zu fürchten. Nur das Zentrieren der vom Wind gebeutelten Thermik wird dann etwas schwieriger.

Ein stärkerer Höhenwind ist in unseren Breiten dennoch nicht ganz ungefährlich, denn er beeinflusst auch die bodennahe Fliegerei. Das Stichwort hierzu lautet: Böen! Meteorologen verstehen unter Böen den Fall, wenn der Wind plötzlich und kurzzeitig seine Geschwindigkeit und/oder seine Richtung ändert. Und dafür ist in den tieferen Luftschichten neben der aufsteigenden Thermikblasen häufig auch der Höhenwind verantwortlich!

Machen wir erst einen kurzen Exkurs zu den thermischen Böen: Je thermischer ein Tag ist - i.d.R. verbunden mit einer "labilen" Schichtung der Atmosphäre - desto heftiger fallen die Böen aus. Wenn eine Thermikblase aufsteigt, erzeugt sie am Boden zum einen ihren eigenen Luftstrom (Saugeffekt). Zum anderen stellt jeder kräftige Thermikschlauch für den anstehenden überregionalen Grundwind ein Hindernis dar, das er umfließen muss. Beides steigert die Böigkeit.
Ein Gleitschirmflieger, der am Startplatz steht, sollte an thermischen Tagen zur eigenen Vorsicht und Sicherheit immer mit Böen rechnen, die Pi mal Daumen gut 10 km/h überm Grundwind liegen.
Nun aber zu den vom Höhenwind beeinflussten Böen: Eine entsprechende Geländeform (Hügel) und damit verbundene Rückkopplungseffekte (Wellenbildung und Verwirbelungen in der Atmosphäre) vorausgesetzt, kann der Höhenwind ohne eine thermik-bedingte Durchmischung der Luft in einzelnen Schwüngen bis zum Boden "gespült" werden. Das ist umso häufiger und heftiger der Fall, je stärker die Windgeschwindigkeit vom Boden in die Höhe zunimmt.

Als durchaus akzeptabel würde ich eine Geschwindigkeitszunahme von 5 Knoten (~10 km/h) auf 1000 Meter sehen. Das entspricht einem halben „Häkchen“ am Ende der Windpfeile auf den Prognosekarten. Sind in der Höhe größere Windsprünge zu erwarten, steigt schnell das Gefahrenpotenzial für uns Flieger. Besonders im Herbst und im Frühjahr haben wir häufiger derart „gefährliche“ Windgradienten in der Atmosphäre.

Wie wirkt sich nun ein starker Höhenwind auf meine bodennahe Fliegerei aus? Hier eine Daumenregel:

Man nehme den Wind in 500 und in 1000 Meter über dem eigenen Standort. Die Geschwindigkeit in +500m Höhe kann sich ganz, die von +1000m kann sich zu zwei Dritteln in den Böen am Boden wiederfinden.
Soare ich beispielsweise bei einem schönen 25 km/h Südwind am Finkenberg, weiß aber, dass in 1000 Meter Höhe gut 45 km/h aus Südwest gemessen werden, so muss ich damit rechnen, dass auch mal eine Böe mit mehr als 40 km/h meinen Schirm erfassen kann. Das ist schneller, als ein Schirm üblicherweise im Trimm fliegt! Wer an solchen Tagen zu nah am Hang kratzt oder direkt über der Hangkante fliegt, sollte sich bewusst sein, dass sein Risiko für eine Baumlandung oder das Verblasen ins Lee deutlich erhöht ist.

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