3D-Shaping: Quernaht zu Verbesserung der Profiltreue
bei einem Icaro Maverick 2. // Foto: Icaro
Im vierten Teil meiner Serie zu den leistungsfördernden Konstruktionsmerkmalen bei modernen Gleitschirmen geht es dieses Mal um neue Schnitttechniken im Vorderflügel, das 3D-Shaping.  

(Anm: Dies ist eine ergänzte und korrigierte Version meines Ursprungsposts vom 11.02.12. Danke an Philipp Medicus von Nova für seine Anmerkungen)

Ozone genießt derzeit zu Recht den Ruf als besonders innovationsfreudiger Gleitschirmhersteller wenn es darum geht, Gleitschirmen mehr erfliegbare Leistung zu geben. Eine der wichtigsten Entwicklungen, die mittlerweile von vielen anderen Herstellern aufgegriffen worden ist, kommt eher unscheinbar daher: Auf dem Obersegel befindet sich um vorderen Teil des Profils über die gesamte Spannweite eine Quernaht. Diese sitzt dort nicht als Teil eines Farbdesigns, sondern erfüllt eine strukturelle und aerodynamische Funktion. Sie hilft, Faltenbildung zu vermeiden und das durch das Ballooning des Obersegels beeinflusste reale Profil einem aerodynamisch gewünschten "Ideal" anzunähern.

Ozone selbst hat mit diesem Feature nie aktiv geworben. Erst als andere Hersteller und Konstrukteure diesen Nähkniff von Ozone verstanden und nachgebaut hatten, kam der Fachbegriff dazu in die Welt: 3D-Shaping. Philipp Medicus von Nova erklärt den Sinn und die Funktionsweise des 3D-Shapings so:

3-D-Shaping an einem Prototyp des Nova Mentor 3. // Foto: Nova
"Das Tuch wird (bei jedem Schirm bzw. ganz ohne 3D-Shaping) im Nasenbereich um zwei Achsen gekrümmt: Einmal durch den Nasenradius (um die Querachse) und dann durch das Ballooning (um die Längsachse). Also quasi wie ein Fahrradschlauch.

Eine solche Krümmung um zwei Achsen lässt sich mit einem planen Stück Stoff nicht faltenfrei erzielen. Probiert das mit einem Stück Papier: Die Krümmung um eine Achse (z.b. nur Ballooning) geht problemlos. Sobald man um die zweite Achse krümmen will, funktioniert es nicht mehr ohne zu knittern.

Der Grund ist folgender: In der Mitte der Zelle (grüner Strich) beschreibt die Tuchoberfläche einen größeren Weg als am Rand der Zelle (roter Strich). Mit einem planen Stück Stoff führt das zwangsläufig zu den bekannten Falten am Rand der Zelle, also an den Profilrippen.

Beim 3D-Shaping näht man zwei (oder mehrere) Stoffbahnen zusammen, die wie im Bild skizziert, eine (oder zwei) konvex gewölbte Seite haben. Näht man die beiden Teile zusammen, kann man sich der gewünschten 3D-Form bzw. der Krümmung um zwei Achsen besser annähern. Denn nun ist die (zusammengenähte) Obersegelbahn in der Zellmitte tatsächlich länger als am Rand der Zelle."

Laut Philipp Medicus liegt der positive Effekt des 3D Shapings primär in der reduzierten Faltenbildung am Zellenrand. Je sauberer die Strömung im auftriebstärksten Vorderteil des Profils anliegt, desto weniger Leistung geht durch Turbulenzen verloren.

Andere Hersteller bzw. Konstrukteure geben aber auch an, die zusätzliche Naht zu nutzen, um lokal gezielt Einfluss auf die Segelspannung und das Ausmaß bzw. die Position des stärksten Balloonings im Vorderflügel zu nehmen. Das Ziel ist dabei, die Spannung des "weichen" Stoffes unter den im Flug wirksamen aerodynamischen Kräften so zu beeinflussen, dass das reale Ballooning-Profil einem rechnerisch gewünschten "starren" Idealprofil möglichst nahe kommt.

Alle Teile der Serie Leistungsdrang:
C-Wires, Mini-Ribs, Doppel-Diagonalen, 3D-Shaping, 3D-Shaping doppelt.