Man kann es Alain Zoller nicht übel nehmen. Er war von Anfang an nicht glücklich mit der Situation, dass er gestreckte Wettbewerbsschirme gemäß der EN-Norm testen musste, nur weil die FAI entschieden hatte, dass in den Wettbewerben nur noch zertifizierte Schirme zugelassen würden. Jetzt hat er, einen heftigen Unfall und mehr als ein Jahr später, doch noch die Konsequenz gezogen. Als erste Teststelle hat die von ihm geführte Air Turquoise SA offiziell verkündet, ab sofort keine Wettbewerbsschirme mehr gemäß EN 926-2 dahingehend zu testen, ob sie noch als EN-D durchgehen. (Es lohnt sich, die gesamte Erklärung sowohl wörtlich als auch zwischen den Zeilen zu lesen!)

Die meisten Wettbewerbspiloten dürften Zoller zähneknirschend beipflichten. Denn sie wissen aus Erfahrung wohl am besten, dass die EN-Norm in allen entscheidenden Punkten nicht zur Realität der Competition-Fliegerei passt. Einen Klapper ohne direkten Piloteneingriff in die weiteren Schirmreaktionen gibt es unter den Wettbewerbsfliegern nicht. Das wäre Selbstgefährdung, die niemand freiwillig akzeptieren würde. Warum also sollten sich die Testpiloten dem aussetzen?

De facto haben es die Tester wohl auch nie getan. Ein bisschen Stütze hier, ein früher Ausstieg aus dem Beschleuniger dort, ein Eingriff nach 1,5 anstatt 3 Sekunden... Das ist Selbstschutz, der freilich das gesamte EN-System unterhöhlt. Denn dann bekommen plötzlich die heißen Wettbewerbssicheln auch problemlos ein "D". Eine solche Verzerrung vergiftet das gesamte Zertifizierungssystem. Und Zoller schlussfolgert korrekt: Es darf nicht sein, was nicht sein kann. Die Farce gehört in die Tonne.

Spannend wird die Frage, wie sich diese Entscheidung auf die weitere Entwicklung der Diskussion um die Wettbewerbsklasse auswirken wird. Offiziell soll zum Jahr 2015 eine EN-CC (Competition Class) eingeführt werden, bei der die Tests realistischer mit Piloteneingriff und Liegegurtzeug durchgeführt werden. Zoller ist pro EN-CC. Bis dahin aber wäre noch ein kleines Wettrüsten von Ozones Enzo 2, Niviuks Icepeak 7 und vielleicht weiteren Modellen gegen den Boomerang 9 als neuestem High-End EN-D zu erwarten. Dem stellt sich Zoller nun entgegen.

Ob das die Einführung der EN-CC beschleunigen wird, ist fraglich. Die Mühlen der in Fachausschüssen abgestimmten Normentwicklung mahlen langsam, zumal es bei EN-CC nicht nur um eine Norm, sondern auch um ein darin verpacktes Politikum geht. Zoller kennt das Geschäft und hält da selbst 2015 schon für ambitioniert.

Das Zünglein an der Waage für die nächste Zukunft der Wettbewerbsfliegerei dürfen jetzt die zwei anderen Zertifizierungsstellen spielen. Folgten sie Zollers Beispiel, wäre die weitere Schirmentwicklung in der Wettbewerbsklasse für mindestens ein bis zwei Jahre ausgebremst. Würden sie weiterhin solche "Hot-Ships" in die EN-D-Klasse testen, flöge über all dem der Makel der Bigotterie.

Letzten Endes fällt so oder so allen Beteiligten die vor 1,5 Jahren überstürzt getroffene Entscheidung, Wettbewerbe nur noch mit zertifizierten Gleitschirmen austragen zu lassen, schmerzhaft auf die Füße. Ein Lehrstück dafür, dass gut gemeint nicht immer gut bedeutet.